Erziehungs- und Care-Tätigkeiten fallen sowohl im familiären Rahmen als auch in institutionalisierter Form seit jeher in den Aufgabenbereich von Frauen. Entsprechend ist das Feld der frühkindlichen Tagesbetreuung ein traditionell weibliches, sowohl hinsichtlich des Geschlechts der hier tätigen Fachkräfte, als auch auf symbolischer Ebene. Die wenigen in Kitas tätigen Männer erfahren zwangsläufig einige Aufmerksamkeit. Von empirischen Studien zu der Auswirkung des Minderheitenstatus von Männern in „untypischen“, d. h. weiblich konnotierten Berufsfeldern wissen wir, dass Männer in der Regel ihren Minderheitenstatus in einem für sie vorteilhaften Masse einsetzen können und es sich für sie auszahlt, durch „doing gender“ Männlichkeit zu betonen (vgl. Williams 1992; Heintz et al. 1997). Die Situation von Männern in Kitas stellt sich hingegen komplexer dar.
Männern in Kitas wird Misstrauen entgegengebracht, ihre Motive den Kinderbetreuungsberuf zu wählen, werden infrage gestellt. Zudem wird ihre Männlichkeit selbst in Misskredit gebracht, insbesondere, da dem Kinderbetreuungsberuf das Image eines „Laienberufs“ bzw. einer „Semi-Profession“ (vgl. Etzioni 1969) anhaftet, die Relevanz von Beruf und Karriere für die Konstruktion männlicher Identität jedoch nach wie vor ungebrochen zu sein scheint. Im Zuge des Wandels und der Neubewertung des Kinderbetreuungsbereichs, wie er sich zurzeit in der Schweiz abzeichnet, flechten sich jedoch neue Motiv in den Diskurs ein; an der Überrepräsentanz von Frauen und ihrer (angenommenen) Auswirkung auf die pädagogische Arbeit in Kitas wird zunehmend Kritik geübt. Vor diesem Hintergrund wird die unterstellte Andersartigkeit von Männern zu einer wertvollen Ressource.
Trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit für Männer im Kita-Bereich wurden die Frage der Auswirkung des Arbeitsfeldes und der hier verfügbaren symbolischen Ressourcen auf die Geschlechterkonstruktionen bisher kaum adressiert. Insbesondere fehlen Erkenntnisse darüber, wie Kinderbetreuer in der Schweiz mit den Ambivalenzen ihrer Position umgehen und sich selbst im Frauenberuf der Kinderbetreuung positionieren und hierdurch Geschlecht „herstellen“.
Die vorliegende Dissertation möchte dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schliessen, indem sie untersucht, wie sich männliche Fachkräfte im traditionell weiblichen Feld der Schweizer Kitas diskursiv positionieren und so ihren Minderheitenstatus aktiv verarbeiten. Die Ergebnisse zeigen auf, welche Geschlechternormen und welches Professionsverständnis relevant gemacht werden, um das „Phänomen“ Männer in Kitas mit Sinn aufzuladen und tragen damit zum Verständnis von Geschlechterkonstruktionen unter herausfordernden Bedingungen in gegengeschlechtlich konnotierten Berufen bei.