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Das Dilemma der Männer mit der Frauenförderung

Das Dilemma der Männer mit der Frauenförderung

Gabriele Schambach und Julia Nentwich
2. März 2021

 

Um den Anteil von Frauen in Kaderpositionen zu erhöhen, ist ein bewährtes Mittel, dass ältere, ranghöhere Männer Frauen fördern. Das zeigt Wirkung und ist sinnvoll, aber es bestehen Ambivalenzen.

Männliche Führungskräfte in Schweizer Unternehmen engagieren sich in der Förderung von Frauen. Das hat unsere Umfrage unter knapp 1.200 Führungskräften ergeben.

 

Frauen sind zögerlicher
Denn Führungskräfte erleben Frauen als eher zurückhaltend, wenn es um Führungspositionen geht. Zudem werden Führungspositionen nach dem Ähnlichkeitsprinzip besetzt: «Das heißt, wenn man lauter Männer oben hat, die laut sind und schreien, dann holen sie Leute nach, die auch laut sind und schreien», so ein Manager. Diesen Mechanismus aufzubrechen ist das Ziel männlicher Führungskräfte, wenn sie Frauen fördern.

 

Frauen ermutigen
Was ist dafür notwendig? Ganz klar muss der eigene Führungsauftrag ernster genommen werden, indem man auf Frauen direkt zugeht, Unterstützung anbietet, sie «ein bisschen mehr abholt, Bedürfnisse abklärt und dann vielleicht mehr bei der Hand nimmt», wie ein Manager seine eigene Aufgabe formuliert. Zudem geht es auch darum, zu zeigen, dass sie in dieser – noch immer bestehenden – Männerwelt willkommen sind. Führungskräfte müssen Frauen soweit begeistern können, dass sie selbstbewusst sagen: «Ich möchte in drei oder zehn Jahren gerne einmal deinen Job haben».

 

Frauen beschützen
Aber heisst jemanden „zu seinem Glück zwingen“ nicht auch, dass man bevormundet? Die Manager fragen sich, ob sie den Mitarbeiterinnen wirklich einen Gefallen tun. Besonders bei körperlich fragil wirkenden Frauen hat ein Manager „Angst, dass diese Person kaputt geht» und fragt sich: «Wenn die allein im Führungsteam ist von sechzig Männern...überlebt die dann? Aber wenn man sie dann beschützen will, ist das noch viel schlimmer!» Die männliche Führungskräfte sehen hier sehr deutlich die Herausforderungen, die für Frauen bestehen (können). Gleichzeitig ist ihnen klar, dass der Wunsch, jemanden beschützen zu wollen bedeutet, davon auszugehen, dass die Person schwächer ist und sich selbst nicht behaupten kann.

 

Tradierte Geschlechterbilder
Ein vergleichbares Dilemma sehen die Kadermänner darin, dass durch Frauenförderung  implizit eine Festschreibung traditioneller Geschlechterbilder stattfindet: „Das ist möglicherweise der Alpha-Fehler. Weil es dann Männer sind, die Frauen zur Förderung auswählen und festlegen, was Förderung eigentlich bedeutet“, ist ein Manager überzeugt. Besonders Mentoring wird in diesem Zusammenhang kritisch betrachtet, denn dahinter steht nach Meinung eines Manns die Annahme: „Frauen sind halt nicht so selbstbewusst, deshalb muss man ihnen Mentoren zur Seite stellen und dann wird das schon“. Den männlichen Führungskräften sind also die Schwierigkeiten der bestehenden Verhältnisse und damit zusammenhängenden Rollenbildern bewusst – aber wie lassen sich diese verändern?


Förderung auf Augenhöhe
Ein Manager schlägt für eine Förderung auf Augenhöhe vor: «Männer fördern Frauen bislang, als wären sie ihre Töchter. Aber sie sollten sie fördern, als wären sie ihre Schwestern. Du musst Frauen als Peer anschauen und sie auch dorthin fördern». Obwohl diese Sichtweise sehr einleuchtend und reizvoll klingt, sieht ein anderer darin gleichzeitig ein Problem: „Aufgrund des Idealbildes, bei dem wir jetzt durchmischte Geschlechter haben wollen, fördere ich jetzt meine Konkurrentin? Das ist doch unnatürlich! Das finde ich eine Überforderung!“ 


Dilemma auflösen
Wie aber soll mit diesen Dilemmata umgegangen werden? Das Konzept des «Gender Inclusive Leadership» zeigt hier einen Weg: Frauen müssen gefördert und unterstützt werden, zugleich müssen aber auch die Befürchtungen beachtet und bestehende Herausforderungen abgebaut werden. Wer Sorge hat, ein Umfeld könnte zu «rau» für eine Frau sein, sollte sich überlegen, ob der vorherrschende Umgangston nicht auch für manchen Mann unangenehm ist und vielleicht einfach ein alter Zopf, der abgeschafft gehört. Hier müsste sich sicherlich der Umgang untereinander wie auch die Kultur verändern, nicht aber die zu fördernden Frauen.

Gegen die Gefahr einer Bevormundung bietet sich an, Frauen und Männer miteinander ins Gespräch zu bringen. Tauschen sie sich über verschiedene Wahrnehmungen und Lösungsmöglichkeiten aus können Massnahmen gefunden werden, die dann auch für beide Seiten passen. Eine Verständigung über die empfundenen Ambivalenzen, führt zu einer Klärung und Sicherheit im eigenen Handeln – auch wenn sich vermutlich nicht alles auflösen lässt. Auf diese Weise lassen sich jedoch mehr männliche Führungskräfte für eine Unterstützung von Frauen motivieren und gewinnen.

Insgesamt bleibt zu beachten, dass es nicht darum gehen kann, Frauen an die gegebenen Umstände anzupassen. Durch Reflexion und den Austausch über Ambivalenzen muss Führungshandeln neu gestaltet werden. So kann sich auch die  Unternehmenskultur verändern, so dass Chancengleichheit und Gleichstellung für Frauen und Männer realisiert werden kann. Denn schlussendlich profitieren beide, Frauen wie Männer. 

Die vollständige Studie finden Sie hier.
 

 

Wir freuen uns, dass die Handelszeitung als unser Projektpartner diesen Artikel in in der Printausgabe am 25. und am 28. Februar 2021 in der Online-Ausgabe veröffentlicht hat.

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