Beim Thema Vorbilder denkt man häufig an bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft. Mit der im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit entstandenen Studie zeichne ich jedoch ein anderes Bild: Für Frauen in Führungspositionen in der Schweiz spielen öffentliche Personen kaum eine Rolle. Stattdessen sind es die eigenen, meist männlichen Vorgesetzten, die den grössten Einfluss auf die Karriereentwicklung der Frauen haben.
Vorbilder im Laufe der Karriere
Im Gespräch mit sieben weiblichen Führungskräften aus den Bereichen Wirtschaft, Recht und dem öffentlichen Sektor wird deutlich, wie prägend Bezugspersonen am Arbeitsplatz sein können. Besonders zu Beginn ihrer Laufbahn suchen junge Frauen Orientierung im unmittelbaren beruflichen Umfeld:
In diesen frühen Phasen der Karriere sind Vorgesetzte als Orientierung oder Mentoren prägend. Doch auch im weiteren Verlauf bleiben sie relevant - manchmal über Jahrzehnte hinweg, wenn die berufliche Laufbahn längst weiter vorangeschritten ist. In späteren Karrierephasen kommen kaum mehr neue Vorbilder hinzu. Vielmehr werden die früheren Vorbilder wieder herangezogen:
Mit zunehmender Erfahrung und Karriereschritten suchen die Befragten mehr nach Austausch auf Augenhöhe als nach einem bewunderten Vorbild oder Mentor. Dabei geht es um den gezielten Aufbau eines Netzwerks, um in den Kontakt mit Gleichgesinnten zu treten. Insbesondere ein Netzwerk mit Frauen in ähnlichen Situationen ist dabei interessant und bietet Inspiration für Lösungsansätze eigener Probleme:
Fehlende weibliche Vorbilder
Da weibliche Vorbilder in vielen Branchen nach wie vor rar sind, dienten den befragten Frauen häufig männliche Chefs als Vorbilder, Mentoren oder Leitfiguren. Von ihnen lernten sie Führungskompetenzen und erhielten fachliche sowie persönliche Einblicke. Allerdings geschieht die Wahl des männlichen Vorgesetzten als Vorbild meist nicht bewusst, sondern aus Mangel an weiblichen Alternativen:
Teilweise hatten die befragten Frauen das Gefühl von männlichen Vorgesetzten weniger gefördert zu werden als ihre männlichen Kollegen. Dies minderte die Wahrnehmung der Vorgesetzten als Vorbilder oder Mentoren und wirkte sich potenziell negativ auf die Karrieren der Frauen aus:
Implikationen für die Zukunft
Diese persönlichen Erzählungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass sich männliche Führungskräfte ihres Einflusses bewusst sind und aktiv auch weibliche Mitarbeitende fördern. Langfristig ist eine breite Auswahl an Vorbildern beider Geschlechter erstrebenswert. So können junge Frauen ihre Vorbilder je nach Situation und persönlicher Präferenz wählen und das Geschlecht rückt dabei in den Hintergrund. Um dies zu erreichen, braucht es nicht nur mehr Frauen in Führungspositionen, sondern auch ein gezieltes Sichtbarmachen dieser Persönlichkeiten und Karrieren.
Bezüglich ihrer eigenen Vorbildrolle besteht ein starkes Bewusstsein bei den weiblichen Führungskräften. Sie sind überzeugt davon, dass Führungskräfte aufgrund ihrer Position fast automatisch eine Vorbildrolle einnehmen, und möchten dies zu Gunsten ihrer Mitarbeitenden nutzen:
Insbesondere für nachkommende Frauen wollen die befragten Führungskräfte die Vorbilder sein, die ihnen selbst zu Karrierebeginn gefehlt haben. Dabei machen sie die Vielfalt weiblicher Karrierewege sichtbar und leben eine Selbstverständlichkeit von Frauen in Führungspositionen vor. Ihre Botschaft an ambitionierte Frauen lautet daher: Glaubt an euch, nutzt die Chancen, die sich bieten und entwickelt euch stetig weiter!
Dieser Artikel basiert auf der Bachelorarbeit von Lea-Sophie Knobelspies an der Universität St. Gallen.
Die Originalarbeit finden Sie hier: universitaetstgallen.sharepoint.com/sites/EDOCDB/edocDocsPublished/20250519_c_9678.pdf