Warum es für die Gleichstellung in Unternehmen Männer braucht

Warum es für die Gleichstellung in Unternehmen Männer braucht

Gabriele Chambach
1. Juli 2019
 


Gleichstellung ist ein Frauenthema

Frauen sind in den Führungsetagen Schweizer Unternehmen immer noch (stark) unterrepräsentiert. Frauen verdienen weniger als Männer. Ihre Kompetenzen wie auch ihr Potential als Führungskräfte und Expertinnen werden nach wie vor eher unterschätzt. Als Mütter erledigen sie den Hauptteil der so genannten Care-Arbeit, also die alltägliche „Sorge“ um Kinder und zu pflegende Angehörige sowie den Haushalt. Ihr Berufsbiographie ist durch Familienzeiten lückenhaft. Ihre Karriereaussichten durch Teilzeitarbeit eingeschränkt. Ihre Renten fallen entsprechend gering(er) aus. Sie gelten als emotional, konfliktscheu, zickig, familienfokussiert – alles Eigenschaften, die im Berufsleben nicht besonders hoch geschätzt werden.

Unternehmen reagieren - wenn überhaupt – darauf mit Einzelmaßnahmen zur weiteren Qualifizierung und zum Empowerment von Frauen. Sie machen Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Karriere und Familie, Mentoring- und Seminarprogramme, Netzwerke von Frauen etc. Das sind unbestreitbar sinnvolle Aktivitäten – aber die Annahme, dass allein der Fokus auf Frauen die Situation ändert, greift zu kurz. Denn diese Aktivitäten sind meist darauf ausgerichtet, dass sich Frauen verändern und an die Gegebenheiten der Unternehmen anpassen, was auch als „Fixing the Women“ bezeichnet wird. Notwendige Veränderungen von Unternehmensstrukturen und –kulturen bleiben dabei unberücksichtigt.

Ebenso bleiben dabei männliche Kollegen, Vorgesetzte und Mitarbeiter unberücksichtigt - und so auch das durch sie gegebene Potential für die Gleichstellung ungenutzt. Gerade um den notwendigen kulturellen Wandel anzustoßen, braucht es alle Beschäftigten im Unternehmen. Besonders aber die - überwiegend männlichen - Führungskräfte müssen mit ins Boot geholt werden. Sie stellen eine bisher kaum genutzte Ressource für die Gleichstellung dar und zudem – quantitativ wie qualitativ – eine einflussreiche Stakeholder Gruppe. Nur gemeinsam kann es gelingen, Maßnahmen umzusetzen und Chancengleichheit zu erreichen.

Aber warum sollten sich Männer für Gleichstellung engagieren? Schließlich haben sie nicht mehr die gleichen Karrierechancen, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen geben soll!

Darauf gibt es (mindestens) zwei Antworten:

1. Auch Männer profitieren von Gleichstellung: Bislang verbringen sie überlange Arbeitszeiten im Büro und tragen die Hauptlast für das Familieneinkommen. Diese Verantwortung, wie auch die sich häufig in männlich dominierten Unternehmen bestehende Konkurrenz- und Dominanzkultur ist für Männer ungesund. Ihr Lebensentwurf ist auf die Rolle des „tough guys“ festgelegt, der die Familie ernährt und Karriere macht. Abwechslung und Vielfalt durch Sabbaticals, Familienzeiten, Teilzeitarbeit, Hausmann-Dasein oder ähnliches gibt es zwar, sind momentan aber noch allzu häufig die exotische Ausnahme und noch nicht die Normalität. 

Viele Väter hätten auch gerne mehr Zeit für die Familie. Väter wie Mütter möchten nach der Familiengründung für ihre Kinder da sein. Eine verlässlichere berufliche Entwicklung von Frauen ermöglicht es Männern, hier entspannter leben zu können und zugleich ihre Frauen stärker entlasten. zu können. Es wird deutlich: Verändern sich Unternehmenskulturen und -strukturen hin zu mehr Gleichstellung eröffnet das ebenso eine Vielfalt an Möglichkeiten für Männer.

2. Gleichstellung ist Aufgabe – männlicher - Führungskräfte. Die Gleichstellung auch im Unternehmensalltag umzusetzen ist eine Frage von Fairness und Gerechtigkeit. Auch ist schon seit längerem bekannt, dass Gleichstellung, Chancengleichheit sowie Diversity keinesfalls schädlich für Unternehmen sind – im Gegenteil, sie tragen maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg. von Unternehmen bei. Soll sich hier etwas in den nächsten Jahren verändern, sind Männer in ihrer Funktion als Führungskräfte und als Gestalter von Veränderungen gefragt.  – und in dieser Funktion sollten wir sie dringend in die Verantwortung nehmen!

Selbstverständlich braucht Gleichstellung nicht nur Männer. Es braucht ebenso Frauen. Und weil wir der Meinung sind, dass Gleichstellung und Veränderung ganz besonders von Führungskräften gestaltet werden kann, haben wir unser Projekt „Leaders for Equality – Führungskräfte nutzen Chancen“ genannt. 

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