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Zwischen Anerkennung und Ausschluss

Zwischen Anerkennung und Ausschluss - Das Organisationsklima als Indikator für Gleichstellung

Gabriele Schambach und Julia Nentwich
19. August 2021

 

Männliche Führungskräfte attestieren ihren Unternehmen ein gleichstellungsförderliches Organisationsklima – Frauen fühlen sich jedoch weniger gut inkludiert.

Anerkennung, Fairness, Teilhabe, Miteinbezogensein und gleiche Chancen sind die zentralen Merkmale eines Inclusive Climates, eines „inkludierenden Organisationsklimas“. Um die fünfzig Prozent der 1.200 männlichen Führungskräfte, die sich an der Umfrage «Leaders for Equality» der Universität St. Gallen beteiligt haben, stimmen der Aussage voll zu, dass sie in ihren Unternehmen ein solches Klima erleben. Konkret bedeutet das, dass das Unternehmen in die Entwicklung der Mitarbeitenden investiert und es faire Aufstiegschancen gibt. Ebenso existiert ein wertschätzender Umgang mit der Unterschiedlichkeit der Beschäftigten und die Mitarbeitenden werden ermutigt, sich einzubringen. Dieses erfreuliche Ergebnis kann sich feiern lassen!

Das Organisationsklima ist nämlich gerade kein schmückendes Beiwerk jenseits betriebswirtschaftlicher Belange, sondern bestimmt massgeblich die Arbeitszufriedenheit und Produktivität sowie Engagement und Wohlbefinden. Somit wird es schnell zum Kostenfaktor, wenn es um Low-Performance, Fluktuation und Krankenstand geht. Ebenso lassen sich Auswirkungen auf die Arbeitgeberattraktivität und die Gewinnung von neuen Beschäftigten belegen – und nicht zuletzt auch auf die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen.

Und damit wären wir beim sprichwörtlichen Haar in der Suppe dieser Ergebnisse angekommen: Die weiblichen Führungskräfte erleben das Organisationsklima nämlich um einiges negativer. Knapp jede sechste Kaderfrau gibt gar eine negative Bewertung ab – wobei von den genannten Rubriken die «Fairen Aufstiegschancen» die niedrigste Zustimmung von den Frauen erhält.

Kaderfrauen fühlen sich also ganz offensichtlich nicht gut inkludiert: Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen erleben sie sich weniger selbstverständlich in der Position als Führungskraft und schätzen auch ihre Chancen bezüglich Karriereentwicklung negativer ein. Wie zermürbend und ermüdend das ist, beschreibt eine Frau in einer unserer Gruppendiskussionen: „Ich muss mich beweisen. Ich muss mich rechtfertigen. Ich muss mir erst einmal Respekt verschaffen. Es ist eigentlich ein dauernder Kampf! Wenn man es einmal geschafft hat, sich den Respekt zu verdienen, dann funktioniert es eigentlich. Aber der Weg bis dahin ist schon anstrengend. Vor allem geht man ihn mehrmals.» Zu diesem Kampf um Teilhabe und Anerkennung gehört auch, überhaupt als Chefin wahrgenommen zu werden, wie es eine andere Kaderfrau beschreibt: «Es kommt dann der Moment, da wird in die Runde gefragt: ‘Ja, wer ist jetzt da verantwortlich?’ Dabei schauen die Männer mich teilweise gar nicht mal an! Und ich denke mir: ‘Was stimmt denn da jetzt nicht!?’ Das ist doch erschreckend, dass man gar nicht wahrgenommen wird!» Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern werden immer wieder in Variationen berichtet.

Auch die Männer in Führungspositionen nehmen dieses Ungleichgewicht wahr, wie ein Kadermann seine Beobachtungen beschreibt: «Sie muss immer kämpfen. Sie muss zehnmal so viel leisten, damit sie die gleiche Akzeptanz bekommt.»

Unabhängig von den Einstellungen einzelner Personen erleben die Frauen und beobachten die Männer Formen organisationaler und struktureller Ungleichheiten, die sich in den beschriebenen Verhaltensweise und Erlebnissen widerspiegeln: Führungsetagen sind nach wie vor männlich dominiert und geprägt, so dass Frauen – selbst wenn sie sich anpassen und ähnlich der männlichen Rollenvorbilder agieren – als die «Anderen», Aussenstehenden, Fremden gelten.

Damit wird deutlich, dass Frauen immer noch nicht selbstverständlich in Führungsetagen angekommen sind – und dass, trotz der positiven Einschätzung der Männer bei der Umfrage, noch zu wenig ein Organisationsklima besteht, das auch die Frauen mit einschliesst. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, möchte man die Frauen auf dem Weg in die Führungsposition nicht verlieren. Wirksam sind Massnahmen seitens des Unternehmens, die Anerkennung und Respekt fördern, wozu beispielsweise auch der Einsatz für Lohngleichheit gehört, welches ebenfalls ein Indikator für das Inclusive Climate ist. Vor allem aber sind die Führungskräfte gefragt das Organisationsklima zu gestalten – und das sie meist die Mehrheit bilden, sind vor allem die Männer gefragt. Sie können zum einen durch ihr eigenes Handeln ihren Kolleginnen und Mitarbeiterinnen Wertschätzung entgegen bringen. Zum anderen können sie sich dafür einsetzen und intervenieren, wenn ihre Kollegen oder Mitarbeiter es den Frauen (vielleicht unabsichtlich) schwer machen. Hier als Vorbild und Rollenmodell zu agieren, trägt massgeblich zur Veränderung bei – vor allem, wenn viele Männer gleichermassen aktiv sind. Ein Kadermann formulierte es in einem Gespräch passenderweise: «Um mehr Gleichstellung zu erreichen, wünsche ich mir, dass mehr Männer den Mut haben, aktiv zu werden und es zur Selbstverständlichkeit wird, dass sich Männer für Gleichstellung einsetzen.» In diesem Sinne: Machen Sie mit!

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