Es bleibt ein „Frauenproblem“

Männliche Führungskräfte engagieren sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – aber es bleibt ein „Frauenproblem“

Gabriele Schambach und Julia Nentwich
4. Januar 2021

 

Wir freuen uns, dass die Handelszeitung als unser Projektpartner diesen Artikel in gekürzter Fassung in der Printausgabe am 17. Dezember und am 28. Dezember 2020 in der Online-Ausgabe veröffentlicht hat.

Die Vereinbarkeit von Familie mit Beruf, Karriere und Führungsposition gilt nach wie vor als Dreh- und Angelpunkt für die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern sowie für die Erhöhung des Frauenanteils in Kaderpositionen. Männlichen Führungskräften ist dies bewusst, so dass sie sich für Lösungen engagieren, wie das Projekt „Leaders for Equality: Führungskräfte nutzen Chancen“ der Universität St. Gallen bei der ersten schweizweiten Umfrage von Führungskräften herausgefunden hat. Allerdings bleibt Vereinbarkeit weiterhin ein „Frauenproblem“.

Seit langem ist bekannt, dass Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie massgeblich zur Gleichstellung sowie Erhöhung des Frauenanteils in Kaderpositionen beitragen. Umso erfreulicher ist es, dass mehr als dreissig Prozent der befragten über 800 männlichen Führungskräfte bereits wesentliche Aktivitäten umsetzen: Sie ermöglichen in ihrem Verantwortungsbereich mobiles Arbeiten und Home-Office ebenso wie Teilzeit und/oder Jobsharing. Zudem achten sie darauf, dass Besprechungszeiten so enden, dass Mütter und Väter ihre Kinder von der Kita oder Tagesbetreuung abholen und betreuen können. Und sie beantworten Emails und Telefonanrufe weder nach Feierabend noch in den Ferien und erwarten dies auch nicht von ihren Mitarbeitenden.

Gleichzeitig wurde bei der Befragung deutlich, dass Vereinbarkeitsmassnahmen für (andere) Männer oder für sich selbst als männliche Führungskraft kaum umgesetzt werden: Zum Beispiel werden andere Männer kaum ermutigt, Teilzeit zu arbeiten. Auch die eigenen Stellenprozente zur besseren Vereinbarkeit zu reduzieren, geschieht selten. Deshalb entsteht der Eindruck als wäre Vereinbarkeit hauptsächlich ein zu lösendes Problem für Frauen – für die männlichen Führungskräfte oder auch andere Männer scheint es keine Herausforderung ihres Berufslebens zu sein.

Diese Vermutung werden durch die erhobenen soziodemographischen Daten erhärtet: Die männlichen Führungskräfte arbeiten fast ausschliesslich Vollzeit, das heisst mit mehr als 91% Stellenumfang. Ihre Partner*innen arbeiten zu mehr als 80% Teilzeit und davon mehr als jede Dritte Person auf 50%-Stellen. Da zudem mehr als die Hälfte der männlichen Führungskräfte Kinder haben, liegt es nahe, dass die Partner*in hauptsächlich die so genannte Care-Arbeit übernimmt. Das heisst umgekehrt: Eigene Erfahrungen mit Teilzeit oder einer vollzeitarbeitenden Partner*in, ob nun mit oder ohne Kind(er), haben die Männer mehrheitlich nicht. Dies bedeutet wiederum, dass zum besseren Verständnis und zum Ownership des Themas ein Perspektivwechsel notwendig ist.

Eine weitere Einschränkung der positiven Selbstwahrnehmung der männlichen Führungskräfte sind die Antworten der mehr als 350 Frauen in Kaderorganisationen. Diese wurden nach ihrer Einschätzung ihrer männlichen Kollegen befragt. Sie sind deutlich skeptischer, das heisst, sie nehmen die Männer als (deutlich) weniger aktiv wahr. Diese Skepsis wird nochmals verstärkt, indem die Frauen beispielsweise zu 44% der Meinung sind, dass Manager sich eher nicht bzw. auf keinen Fall vorstellen können, Besprechungszeiten vereinbarkeitsfreundlich zu gestalten (im Vergleich zu 12% der Männer). Ähnliches gilt hinsichtlich des Ermöglichens von Teilzeit oder Jobsharing. Weniger gross ist die Diskrepanz bei der Ermutigung anderer Männer zur Teilzeitarbeit. Hier sind sich Frauen wie Männer einig, dass sich männliche Führungskräfte nicht vorstellen können, dies zu tun.

Was bedeuten diese Befunde nun für die Gleichstellungsarbeit in Unternehmen? 

Neben den technischen und organisatorischen Aspekten von Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie erscheint ein unternehmenskultureller Wandel notwendig. Dazu gehört vor allem ein Verständnis, dass Vereinbarkeit eine Aufgabe und Herausforderung für Frauen wie für Männer ist. Zudem gilt es neben der neuen Selbstverständlichkeit des Arbeitens im Home-Office auch Teilzeit und Jobsharing in Führungspositionen als neue Normalität für Frauen und Männer zu gestalten. Hierfür ist es hilfreich Väter mehr ins Blickfeld zu rücken. 

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen besonders deutlich, dass ein geeigneter Schritt zur Veränderung der Unternehmenskultur der Dialog und Austausch zwischen Frauen und Männern sein kann. Konkret geht es um einen Perspektivwechsel der männlichen Führungskräfte: Mit den Müttern und Vätern in ihrem Team reden und erfragen, was diese brauchen können, was sich verändern sollte, was sie als Führungskräfte dazu beitragen können. Zudem können die zu Tage getretenen unterschiedlichen Wahrnehmungen von Frauen und Männern als Anlass genommen werden, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Führungskräfte können hierzu einen analogen oder virtuellen Austausch initiieren, um gemeinsam herauszufinden, woher die Differenzen in den Antworten herrühren. Und darauf aufbauend, können ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Aktivitäten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickelt und verstärkt werden. 

Die vollständige Studie steht unter www.leadersforequality.ch zur Verfügung.

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