close

Sind es wirklich die Frauen, die nicht wollen?

Sind es wirklich die Frauen, die nicht wollen?

Gabriele Schambach und Julia Nentwich
7. September 2020

 

Wir freuen uns, dass die Handelszeitung als unser Projektpartner diesen Artikel in gekürzter Fassung in der Printausgabe am 20. August veröffentlicht hat.

Der geringe Anteil von Frauen in Kaderpositionen wird häufig damit erklärt, dass Frauen nicht in diese Positionen wollen. Aber stimmt das wirklich? Oder sind es nicht auch die nach wie vor fehlenden Voraussetzungen, die zwingend notwendig wären, damit Frauen sich wirklich entwickeln können? Unser Beitrag beleuchtet die Wichtigkeit des «Wollens» der männlichen Führungskräfte, die herrschende Kultur zu verändern. 

Der Anteil von Frauen in Kaderpositionen in Schweizer Unternehmen bewegt sich zwischen dreissig und vierzig Prozent und hat sich seit fast 25 Jahren kaum verändert. Obwohl viele Unternehmen den Vorteil von gemischten Führungsteams erkannt und Massnahmen zur Förderung von Frauen ergriffen haben, sind die erhofften grösseren und weitreichenderen Veränderungen bislang ausgeblieben. Woran das liegen könnte, haben männliche Führungskräfte unserer Partnerunternehmen im Rahmen unseres Projektes «Leaders for Equality: Führungskräfte nutzen Chancen» diskutiert. 

Die Frauen wollen ja nicht
Eine zentrale und häufig wiederkehrende Erklärung ist das «Wollen». Ein Manager fragt: „Wollen die Frauen das überhaupt? Oder wie viele wollen das? Ein Teil will das, das sehen wir, deshalb haben wir ja auch Frauen in der Spitze. Aber wollen das wirklich so viele? Oder haben nur die Unternehmen das Gefühl, wir müssen Frauen reinbringen, weil uns die Fachleute fehlen?“

Viele der befragten Führungskräfte erzählen, dass Frauen schon zu ihnen gesagt hätten: «Nein, das will ich gar nicht! Ich will diese Verantwortung gar nicht auf mich nehmen und diese Extrameile gehen und so lange im Büro sein.“ Für Frauen wirke zum Beispiel die Vorstellung abschreckend, nach der Arbeit auf dem Heimweg und abends noch stundenlang über die Arbeit nachzudenken. Und auch die häufig gemachte Beobachtung, dass die Vorgesetzten „gestresst herumhuschen und Überstunden machen“ führe dazu, dass Frauen eher sagen: «Ich bin glücklich mit dem, wie ich es mache und ich will mir das gar nicht antun müssen». 

Viele unserer Führungskräfte bleiben hier jedoch nicht stehen. Sie legen verschiedene Gründe dar, die in ihren Augen die beobachtete Zurückhaltung der Frauen in ihrem Unternehmen erklären können. Selbstverständlich erwähnt werden die mangelnden Möglichkeiten, Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren. Aber darüber hinaus werden weitere, bislang weniger diskutierte Aspekte thematisiert, auf die männliche Führungskräfte Einfluss nehmen und die sie zu Gunsten von Frauen gestalten können. 

Vermeintliche Nicht-Könnerinnen
Überlegt werden müsse aus Sicht eines Managers, «ob wir eine männliche Kultur haben, wo du als Frau nicht so brillieren und wirken kannst, so dass du dich vielleicht nicht wohlfühlst».

Es sei weniger so, dass sich Frauen «vielleicht generell weniger Führungspositionen zutrauen (…), sondern es ist auch immer ein kulturelles Problem». Dieses kulturelle Problem äussere sich in Vorurteilen gegenüber Frauen und ihren Fähigkeiten. So werde bei einer Frau schnell gefragt: «Kann die das überhaupt? Was sucht sie hier überhaupt? Gehört sie nicht doch an den Herd?» Auch gegenüber den Kunden müssten Frauen «zehnmal mehr geben, weil der Kunde am Telefon gesagt hat: «Ja, gib mir einen der drauskommt!» Diese Vorurteile stellen in den Augen der befragten Manager ein Grundsatzproblem dar: Spürt eine neu ins Unternehmen kommende Person, dass sie nicht vorurteilsfrei akzeptiert wird und zudem das Gefühl bekommt, doppelten Effort bringen zu müssen, um als kompetent angesehen zu werden oder aber überhaupt eine Chance zu bekommen, dann ist es für diese Person ungleich schwieriger zu sagen: «Ich will diese Position haben!» Gegen die Vorurteile anzugehen sei eine wichtige Massnahme, die aber nicht nur für Frauen schwierig sei, sondern auch von den befragten Managern als «Kampf gegen Windmühlen» erlebt wird.  

Allein unter Männern
Ein weiterer wichtiger Grund, warum Frauen gegenüber einem «kulturell klassischen Männerumfeld eine gewisse Zurückhaltung» zeigen ist das Militär. Denn «alle, die Militärdienst gemacht haben und da sieben mal 24 Stunden nur mit Männern unterwegs» gewesen sind, hätten «irgendwie eine andere Basis». Nach Meinung der männlichen Führungskräfte entwickelten sich durch die Militärerfahrung «ganz andere Umgangsformen» wie zum Beispiel ein bestimmter Umgangston, auf den Frauen ablehnend reagierten. Die Wichtigkeit des Militärs nehme zwar generell ab und damit auch ihr Einfluss auf die Regeln der Zusammenarbeit, erforderten aber nach wie vor «sehr viel Mut für Frauen um zu sagen: ‘Ich bin jetzt halt die erste, um vorauszugehen’». Generell wird in den von uns geführten Gesprächen sehr viel Verständnis dafür aufgebracht, dass nicht jede Frau immer mutig oder die erste sein möchte. Ein Manager ist überzeugt: «Wenn ich mich jetzt in die Schuhe von einer Frau tue, fehlt immer ein bisschen ein Beispiel. Ich muss immer so pushy sein. Aber es fehlen wirklich die Beispiele die zeigen, es ist equal“. Ohne Vorbilder und Erfahrungen sei die Unsicherheit wie sich das weiter entwickeln werde einfach zu gross und es gebe schlichtweg sehr viele Themen, die mit dem Eintritt der Frau zum ersten Mal behandelt werden müssten, so dass man schlussendlich «wie ein Forscher oder Entwickler mit dabei ist, eine Firma mit zu entwickeln oder eine Kultur zu ändern in einer Firma» - und das ist deutlich mehr, als «nur» einen guten Job zu machen. 

50/50 wäre das Ideal – aber wie kommen wir dahin?
«Fünfzig Prozent Männer und fünfzig Prozent Frauen funktioniert im Betrieb und dann ist alles geklärt», davon ist eine Führungskraft überzeugt. Da dies aber selten der Fall ist und es in den Geschäftsleitungen häufig ausschliesslich Männer gibt, gestalte sich die Kulturveränderung schwieriger. 

Gerade hier bremse die bestehende männliche Kultur die notwendige Veränderung. So betont ein Manager, dass es «die Lauten» seien, die «am Schluss gehört und gesehen würden. «Und die Lauten und Extrovertierten sind dann meistens die Männer». Frauen würden sich, auch wenn sie einen super Job machen und über die Fähigkeiten zur Führungskraft verfügten, in der Tendenz unter Wert verkaufen. Auch sei «die Quote von Männern, die von sich überzeugt sind, dass sie jetzt für die nächste Leiter oder Stufe super geeignet sind, deutlich grösser als bei den Frauen». Eine grössere Visibilität von Frauen und die Unterstützung durch die Führungskräfte sei notwendig, um diesen Effekt korrigieren zu können, da sich sonst immer «die Männer vordrücken» würden.

Vom Können und Wollen
«Eigentlich sollte es doch Möglichkeiten geben als Frau weiter zu kommen, wenn man das gerne möchte», befindet eine der befragten weiblichen Führungskräfte. In den Diskussionen teilen die Frauen die Einschätzungen und Wahrnehmungen der Männer grösstenteils, schildern jedoch zumeist noch drastischere eigene Erlebnisse. Möchte man in Zukunft, dass Frauen die Führungsposition «wollen», das zeigen unsere Gespräche deutlich, sind tiefgreifende kulturelle Veränderungen in den Unternehmen erforderlich. Es müssen Vorurteile ab- und Gleichstellungsaktivitäten aufgebaut werden. Zwingend ist, das «Wollen» der männlichen Führungskräfte in den Fokus zu nehmen, denn sie können die Kultur des Miteinanders prägen. Sobald sie weg von militärisch geprägten hin zu kooperativen und egalitären Formen der Zusammenarbeit kommen wollen, die für Frauen wie Männer gleichermassen ansprechend sind, wird Veränderung möglich.

Wenn Männer ihr Führungsverständnis entsprechend gestalten, um eine Vereinbarkeit von Karriere oder Führung und Familie zu ermöglichen, wird deutlich, dass es weniger am Nicht-Wollen von Frauen als am Wollen der männlichen Führungskräfte liegt, die kulturellen Hindernisse zu beseitigen.

north