Männer wollen Gleichstellung!

Männer wollen! Warum sich männliche Führungskräfte für Gleichstellung engagieren

Gabriele Schambach und Julia Nentwich
27. Oktober 2020 

 

Wir freuen uns, dass die Handelszeitung als unser Projektpartner diesen Artikel in gekürzter Fassung in der Printausgabe am 22. Oktober veröffentlicht hat.

Lange galt es als selbstverständlich, dass Gleichstellung ein Frauenthema ist und deshalb Männer nicht interessiert. Unser Projekt „Leaders for Equality: Führungs-kräfte nutzen Chancen“ der Universität St. Gallen hat nun herausgefunden, dass Männer sehr wohl motiviert sind, sich für Gleichstellung zu engagieren.

Gleichstellung wird zumeist als Frauenthema wahrgenommen – und in vielen Unternehmen auch so kommuniziert. Männer scheinen damit nichts zu tun zu haben und werden weder adressiert noch einbezogen. Dabei ist das Engagement von männlichen Führungskräften für den Erfolg von Gleichstellungsbemühungen im Unternehmen unabdingbar. Die Frage ist nur: Warum sollten sie sich engagieren? 
In den von uns geführten Diskussionen mit männlichen Führungskräften und unserer schweizweiten Online-Umfrage zeigt sich deutlich, warum Männer motiviert sind und auch was genau sie motiviert:

Führungsaufgabe und Business Case
Der so genannte Business Case wird von den knapp 1.200 durch uns befragten Schweizer Führungskräften als Hauptmotivation für Gleichstellungsengagement angesehen.
Der Fachkräftemangel und der demographische Wandel spielen dabei eine treibende Rolle: Aufgrund eines hohen Durchschnittsalters in Schweizer Unternehmen  und besonders bei den – überwiegend männlichen – Führungskräften, stehen in den nächsten Jahren eine Reihe von Pensionierungen an. Es stehen aber nicht in gleichem Masse (männliche) Nachwuchskräfte zur Verfügung. Um auch in Zukunft über ausreichend Fach- und Führungskräfte zu verfügen, ist es aus Sicht der befragten Führungskräfte notwendig, vor allem vermehrt (junge) Frauen einzustellen und beruflich zu (be)fördern. Genderorientierte Rekrutierung und strukturierte interne Personalentwicklung erleichtern den Zugriff auf größere Talentpools, um die hochqualifizierten Frauen auf dem Markt nicht Mitwettbewerbern zu überlassen (vgl. auch Krell/Sieben 2011).
Nach Wahrnehmung der männlichen Führungskräfte verbessert sich durch eine Erhöhung des Frauenanteils im Team auch das Arbeitsklima: Frauen bringen soziale Kompetenzen ins Team, so genannte Soft Skills, die die befragten Männer in den bisher reinen Männerteams als fehlend bemängeln. Dies wiederum steigere die Performance, bringe also einen ökonomischen Mehrwert für das Unternehmen. Denn indem Frauen andere Sichtweisen einbringen, gelangten die Teams zu inno-vativeren und kreativeren Lösungen sowie zu ausgewogeneren und besseren Ent-scheiden (vgl. auch Krell/Sieben 2011). 

Auch Vorschriften des Unternehmens sowie Vorgaben wie KPIs motivieren Männer. Die männlichen Teilnehmer unserer Online-Umfrage sehen darin allerdings nur einen geringen Motivator. Bemerkenswerterweise sind die weiblichen Führungskräfte, die in der Online-Befragung zu ihrer Wahrnehmung ihrer Kollegen und Vorgesetzten befragt wurden, zu einem deutlich höheren Anteil der Meinung, dass ihre männlichen Kollegen durch Vorschriften und Vorgaben motiviert werden. Bei die-sen Unterschieden in der Wahrnehmung männlicher und weiblicher Führungskräfte bietet es sich an gezielt herauszufinden, worin diese unterschiedlichen Einschätzungen begründet sind, z.B. durch Massnahmen wie unternehmensinternen Dialogveranstaltungen unter Führungskräften.

Gleichstellung als Unternehmens- und damit Führungsaufgabe zu verstehen, hat den Vorteil, dass das Thema in einem primär betriebswirtschaftlichen Kontext gesehen wird. Engagierte Männer agieren dabei nicht in erster Linie als Personen, sondern als Führungskräfte, die eine Fach- bzw. Unternehmensaufgabe zu bearbeiten haben. Dies kann ihnen Legitimation für ihr Handeln geben und sie z.B. vor Abwertungen seitens anderer Männer schützen.

Fairness
«Unsere Gesellschaft besteht aus 100% und nicht aus 50%. Mensch ist nicht Mann. Und Teil von Teilhabe ist, dass auf der Führungsebene in einem Unternehmen Frauen genauso dazugehören, wie ich als Mann». Dieser Manager bringt auf den Punkt, dass Fairness und Gerechtigkeitsstreben wichtige Motive für Führungskräfte darstellen. Bei den befragten Männern ist Fairness sogar einer der meistgenannten Gründe für das Gleichstellungsengagement. Dieser Aspekt resultiert nach Aussage der von uns interviewten männlichen Führungskräfte aus den persönlichen Beobachtungen sowie dem Erleben von Situationen, in denen Frauen ungleich oder gar diskriminierend behandelt werden. Sie werten diese Momente als zutiefst unfair und ungerecht – was sie motiviert, sich für Veränderungen einzusetzen.

Persönliche Aspekte
In der Umfrage als weniger relevant eingestuft, jedoch in den insgesamt zehn Gruppendiskussionen mit männlichen Führungskräften immer wieder zur Sprache gebracht wird die persönliche Betroffenheit insbesondere mit dem herrschenden Männlichkeits- und Führungsverständnis. 
„Ich möchte in meiner Person nicht beschränkt werden auf ein männliches Rollen-bild. Es ist megaschwierig, wenn nur das von dir erwartet wird“. Diese Aussage einer männlichen Führungskraft verdeutlicht, dass ein Engagement für Gleichstellung durch das eigene Erleben von Nachteilen von Geschlechterungleichheiten durch die herrschenden Männlichkeitsnormen motiviert ist. Diese Nachteile betreffen vor allem die Reduktion auf die Haupternährerrolle bzw. Vollzeiterwerbstätigkeit sowie Karriereorientierung, eine Führungskultur der Immer-Verfügbarkeit mit dauernder Präsenz und Erreichbarkeit, uneingeschränkter Flexibilität sowie Hochleistungsanspruch und Härte etc. Zum einen führt die damit zusammenhängende körperliche und mentale Belastung zu Gesundheitsproblemen. Zum anderen ist ein ausgewogenes Privat- und Familienleben unmöglich – vor allem aber wird für Männer eine aktive Vaterschaft verhindert. Und selbst wenn ein traditionelles Geschlechterarrangement frei gewählt ist und befürwortet wird, kann es zu einer Entfremdung von (Ehe-)Partner*in und Kindern sowie auch zum Bruch von Beziehungen kommen (vgl. Schambach 2013). 

Eine weitere Form von Betroffenheit wird ersichtlich, wenn männliche Führungskräfte befürchten oder erleben, dass ihre Töchter und/oder Enkelinnen aufgrund von gesellschaftlicher wie unternehmensinterner Benachteiligung Schwierigkeiten haben, Karriere zu machen: „In welcher Welt sollte meine Tochter aufwachsen? Oder mit welchen Rahmenbedingungen soll die eigentlich groß werden? Muss die verzichten? Muss die ganz männlich werden, um sich da bewegen zu können?“

Männer thematisieren auch die Vorteile und den persönlichen Nutzen, den sie von Geschlechtergerechtigkeit erhalten können: „Männer wollen auch nur noch 60 oder 80% arbeiten - man will mehr Family Time, Quality Time verbringen“. Männliche Führungskräfte profitieren von Gleichstellungsaktivitäten  genauso wie Frauen, indem ihnen beispielsweise flexible Arbeitsformen und Karrieremodelle sowie die Akzeptanz von Teil-, Eltern- und Auszeiten neue Spielräume für eine offenere Unternehmenskultur eröffnen und eine nachhaltige Work-Life-Integration sowie aktive Vaterschaft ermöglichen. 

Männliche Führungskräfte schaffen Rahmenbedingungen
Die Ergebnisse unserer Forschung zeigen deutlich: Männer wollen sich für Gleich-stellung engagieren! Sie sind motiviert und sie sehen sich in der Verantwortung, den Weg dahin zu gestalten. So betont eine männliche Führungskraft: „WIR müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dass Gleichstellung funktionieren kann“.

In diesem Prozess wollen sie nicht als „Bremser“ fungieren, sondern als „Vorbilder“ agieren, um mit Frauen zusammen zu erarbeiten „wie wir das gemeinsam machen können“, so eine männliche Führungskraft.

Diese auch in unserer Online-Umfrage mit gut 1.200 Schweizer Führungskräften bestätigten Motivationsgründen können neuen Schwung in Gleichstellungsaktivitäten in Unternehmen bringen. Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass die männlichen Führungskräfte einbezogen werden müssen – in der strategischen Ausrichtung sowie der internen Kommunikation und Bewerbung für Gleichstellungsaktivitäten. In unseren Augen sind das ganz entscheidende erste Schritte, um in Zukunft auch mehr Frauen in Führungspositionen zählen zu können.

Wenn Sie in Ihrem Arbeitsalltag oder Unternehmen weitere für Männer in Führungspositionen motivierende Faktoren wahrnehmen, freuen wir uns, wenn Sie uns darüber berichten.
 



Krell, Gertraude/ Sieben, Barbara (2011): Diversity Management: Chancengleichheit für alle und auch als Wettbewerbsvorteil. In: Krell, Gertraude/Ortlieb, Renate/Sieben, Barbara (Hrsg.) (2011): Chancengleichheit durch Personalpolitik, 6. Aufl., Wiesbaden, 155-174.

Schambach, Gabriele (2013): Ein Teil der Lösung - Überlegungen zum Einbezug von Männern zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. In: Jansen, Mechtild M./ Röming, Angelika/ Rohde, Marianne (Hrsg.): Männer - Frauen - Zukunft. Ein Genderhandbuch, München, 209-226.
 

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