Warum männliche Führungskräfte für die Chancengleichheit von Frau und Mann wichtig sind

Warum männliche Führungskräfte für die Chancengleichheit von Frau und Mann wichtig sind: Ein Blick in die Forschung

Julia Nentwich
27. Februar 2020
 

In unserem Projekt dreht sich alles um die männlichen Führungskräfte: Was denken Sie über Frauen in Führungspositionen, Massnahmen zur Chancengleichheit im Unternehmen und was sind sie selbst bereit, zu tun bzw. wo engagieren sie sich bereits? In diesem Blogbeitrag erläutere ich ausführlicher, warum gerade das Engagement der männlichen Führungskräfte wichtig ist und warum ihr Engagement anders wirken kann als das Engagement der Frauen.

Das früheste mir bekannte Argument stammt von der australischen Geschlechtersoziologin Raewyn Connell (2003): Da Geschlecht ein relationales Phänomen sei, Männlichkeit und Weiblichkeit also zueinander in einem Verhältnis stehen, müssen beide auch miteinander verändert werden. Geschlechtertheoretisch wird hier klar, dass sich Verständnisse von Weiblichkeit nur in einem grösseren Zusammenspiel mit Männlichkeit verändern lassen und darum Veränderung nicht nur von den Frauen ausgehen kann. Hinzu kommt, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer unter den negativen Auswirkungen der aktuellen Geschlechterverhältnissen zu leiden haben. Insbesondere die nach wie vor geltenden Vorstellungen von Männlichkeit haben negative Auswirkungen z.B. auf die Gesundheit und die Lebenserwartung von Männern (Scambor et al., 2014).

Doch wie lässt sich diese allgemeine Erkenntnis auf Massnahmen zur Förderung von Chancengleichheit im Unternehmen anwenden? Ganz grundsätzlich sind aus einer Perspektive des Change Management die Führungskräfte entscheidend für das Gelingen jeglichen Wandels. Da Männer nach wie vor in Führungspositionen und insbesondere im oberen Management eine deutliche Mehrheit darstellen, sind sie zum einen aufgrund des quantitativen Verhältnisses, zum anderen aber aufgrund ihrer machtvollen Positionen wichtige Akteure. Hinzu kommt, dass ihre Führungskompetenzen weniger hinterfragt werden und sie besser in die zentralen Netzwerke eingebunden sind als Frauen in vergleichbaren Positionen (Eagly, Gartizia & Carli, 2014). Diese Mischung aus Geschlecht und Position, macht die Unterstützung durch männliche Führungskräfte für Gleichstellungsanliegen so wichtig. Interessanterweise wurde dieser Zusammenhang noch kaum wissenschaftlich untersucht.

Eine Ausnahme stellt die aus Australien stammende Studie der Organisationsforscherin Jennifer deVries (2015) dar. Sie wählte aus einer breiter angelegten Studie drei Interviews mit männlichen Führungskräften sowie ein Interview mit einer Frau in Führungsposition aus, um näher zu analysieren, wie Chancengleichheitsanliegen von diesen Personen jeweils unterschiedlich gefördert werden konnten. Die Analyse der Interviews zeigt, dass die männlichen Führungspersonen häufig als «one of the boys» angesehen werden – also als jemand, der zur Gruppe der männlichen Führungskräfte selbstverständlich dazugehört und dessen Kompetenz in dieser Position nicht in Frage gestellt wird. Dies im Unterschied zur weiblichen Führungskraft, die insbesondere in einer Männerdomäne häufig als «Token Women», als die Quotenfrau wahrgenommen wird, dadurch eine erhöhte Sichtbarkeit erhält, wodurch ihr Verhalten kritischer evaluiert wird als das der männlichen Kollegen. In den Interviews wurde auch thematisiert, dass Frauen häufig ein Eigeninteresse am Thema unterstellt wird, Männern jedoch ein Interesse an der Sache. Dies führt dazu, dass das Engagement von Frauen als weniger legitim und wirkmächtig eingeschätzt wird, während das Engagement ihrer männlichen Kollegen eher durch rationale Überlegungen – wie z.B., dass Gleichstellung dem Unternehmensinteresse dient – erklärt wird.

Die Interviewergebnisse bestätigen hier den gut gesicherten Forschungsstand: Während Frauen in Führungspositionen stärker hinterfragt und nicht in derselben Weise als kompetent angesehen werden, wird Männern gerade diese Kompetenzen qua Geschlecht automatisch zugeschrieben (Eagly, Gartizia, Carli & 2014). Das Führungshandeln von Männern erhält so eine grössere Wirkmächtigkeit als dies für das gleiche Verhalten einer Frau der Fall sein kann. Dies gilt umso deutlicher, handelt es sich um eine Führungsposition in einem männlich dominierten Unternehmen (Eagly, Karau & Makhijani, 1995). Wie de Vries (2015) auch zeigt, gelingt es den von ihr befragten Männern sehr gut, ihre machtvolle Position für einen «guten Zweck» zu nutzen: Sie setzen sich für Chancengleichheit ein und können so die unternehmensinternen Programme und Massnahmen fördern und unterstützen. Chancengleichheit wird dadurch stärker als ein wichtiges Unternehmensziel wahrgenommen. Zugleich scheint das Engagement aber auch einen Effekt auf die Wahrnehmung der Aktivitäten der weiblichen Kolleginnen zu haben: Diese werden in ihren Anliegen unterstützt und müssen sich mit ihrem Engagement für Chancengleichheit nicht mehr so stark exponieren, wie das zuvor der Fall gewesen ist. In unseren Augen ein wichtiger Schritt zum Gelingen dieser Massnahmen!
 



Connell, R. W. (2003). The Role of Men and Boys in Achieving Gender Equality. United Nations Division for the Advancement of Women (DAW).

de Vries, J. A. (2015). Champions of gender equality: Female and male executives as leaders of gender change. Equality, Diversity and Inclusion: An International Journal, 34(1), 21–36. doi.org/10.1108/EDI-05-2013-0031

Eagly, A. H., Gartzia, L., & Carli, L. L. (2014). Female Advantage: Revisited. In The Oxford Handbook of Gender in Organizations. Oxford University Press.

Eagly, A. H., Karau, S. J., & Makhijani, M. G. (1995). Gender and the effectiveness of leaders: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 117(1), 125–145. doi.org/10.1037/0033-2909.117.1.125

Scambor, E., Bergmann, N., Wojnicka, K., Belghiti-Mahut, S., Hearn, J., Holter, Ø. G., Gärtner, M., Hrženjak, M., Scambor, C., & White, A. (2014). Men and Gender Equality: European Insights. Men and Masculinities, 17(5), 552–577. doi.org/10.1177/1097184X14558239

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